Was bedeutet für dich Musik?

Mit Musik kann man die ganze Welt erklären. Jeder versteht sie. Man muss keine Sprache sprechen, keine Grammatik lernen, keinen Dialekt verstehen, keine Gesten deuten. Musik ist da und vermittelt Emotionen, Gedanken, Bilder.

Ich denke, dass wir als Österreicher einen ganz besonderen Zugang zu Musik haben. Unser Land, unsere Komponisten haben die klassische Musik geprägt wie kaum sonst jemand. Musik hat in Österreich, in der Österreichischen Geschichte eine wesentliche Rolle zur Aufklärung beigetragen. Was in Frankreich die Philosophie und in Deutschland die Literatur ist, ist in Österreich die Musik. Das ist unsere Kultur. Das trägt bis heute zu unserer Identität bei.

Welchen Stellenwert hatte und hat Musik in deinem Leben?

Ich bin ein Spätberufener. In der Jugend hat für mich Musik kaum eine Rolle gespielt. Ich habe nicht zu jenen gehört, die in den 80ern angespannt vor dem Kassetten-Rekorder gesessen sind, um bei Udo Huber im richtigen Moment auf Rec-Play zu drücken, um das Lieblingslied aufzunehmen. Dafür war meine große Schwester zuständig.

Ich habe auch sehr spät meinen Zugang zur klassischen Musik gefunden. Es war vor gar nicht allzu langer Zeit eine konzertante Aufführung des Oberon – also bei Gott keine imposante Aida in der Arena von Verona mit Luciano Pavarotti oder Placido Domingo als Othello in einer Zeffirelli-Inszenierung an der Wiener Staatsoper.

Bei diesem Oberon hat mich auf ein Mal der Virus gepackt. Mich hat Musik, Gesang fasziniert. Ich wollte mehr. Und dann war ich in der „Nozze di Figaro“ mit Harnoncourt und der Netrebko, und es war um mich geschehen. Aber dass ich ein paar Jahre später Gesang studieren würde und eine Karriere als Sänger starte, das hätte ich mir damals nicht gedacht. Das brauchte noch ein paar Jahre…

Warum hat klassische Musik immer die Aura des Vergangenen, des Altvatrischen oder gar den Nimbus des „Langweiligen“?

Das kann ich mir nur ganz schwer erklären, denn für mich ist Musik, auch klassische Musik leicht verständlich und zugänglich. Für mich ist der Musik-Genuss ein Mitleben mit dem Erlebnis und ich kritisiere sehr das Hochstilisieren des Kulturgeschehens. Ich denke, wir tun hier der klassischen Musik, der Oper, dem Konzert keinen Gefallen, wenn wir das tun. Ein Opernbesuch ist ein Erlebnis: Vom chic anziehen, Programm studieren, Zuhören, mit den Sitznachbarn in der Loge plaudern bis hin zum Whiskey on the Rocks in der Bristol-Bar danach. Die perfekte Koloratur oder das Hohe C sind Teil davon, aber nicht alles.

„Für die 100. Tosca will ich eine Uraufführung.“

Entwickelt sich klassische Musik heute weiter?

Auf jeden Fall. Es gibt unglaublich spannende Projekte, neue Opern, tolle junge Komponisten. Wir müssen dafür offen sein. Auch wenn dies manchmal auf den ersten Blick schwer zugänglich scheint. Man muss die Klassik verstehen, um das Neue willkommen zu heißen, genießen zu können. Man muss das zulassen und fördern. Ja, die 100ste Tosca ist schön, aber bitte wenn die 100. Tosca gespielt wird, möchte ich dann auch eine Uraufführung sehen. Das könnte auch den Nimbus des Vergangenen nehmen.

Wie nimmst du Musik wahr?

Das klingt ein bisschen blöd, aber ich spüre Musik. Und zwar mit dem ganzen Körper, deswegen nimmt mich das auch so ein, wenn ich Musik höre und noch viel mehr, wenn ich selbst singe. Ich bin ein sehr körperbewusster Mensch, vielleicht liegt das daran. Musik ist auf jeden Fall für mich körperlich anstrengend, wenn ich mich darauf einlasse. Musik ist für mich viel mehr als Unterhaltung, die dahin plätschert. Ich bin da drinnen „gefangen“, vom ersten Takt der Ouvertüre an. Das schafft für mich keine andere Unterhaltungsform, kein Fußball-Match, kein Tatort-Krimi und auch kein Bestseller-Roman. Für mich ist Musik das, was es heißt, „mit allen Sinnen genießen“!

Wenn du singst, wie fühlt sich das an?

Musik hören und aktiv Musik machen, „produzieren“, das sind zwei Paar Schuh. Das kann ich nicht miteinander vergleichen. Wenn ich singe, bringe ich Information, Emotion ans Publikum. Ich „transportiere“ das, was sich der Komponist gedacht hat. Meine Stimme ist Teil einer Gemeinschaft – mit den anderen Sängern, mit dem Dirigenten, mit dem Orchester.

„Ich bin gegen Eigeninterpretation.“

Man spricht immer davon, dass der Sänger eine Rolle „interpretiert“. Wenn du „transportierst“, „interpretierst“ du dann überhaupt?

Ich bin gegen Eigeninterpretation. Der Komponist hat sich doch was dabei gedacht, das ist sein Werk, ich stelle mich in dem Moment in seine Dienste. Eigeninterpretation ist unnötig und frech. Und zu einem gewissen Grad ergibt sich Eigeninterpretation – mit der eigenen Stimme, mit deiner eigenen Art zu singen.


Wie siehst du dann die Aufgabe des Sängers in der Musik?

Der Sänger dient dem Stück, dem Komponisten, der Aufführung. Ich will dem Publikum eine Stimmung mitgeben, vielleicht eine Emotion wecken, einen Denkanastoß geben. Ich finde, man hat als Sänger sehr viele Funktionen und sehr viele Optionen, seinen Beitrag zu leisten.


Wie ist deine Herangehensweise an Musik? An ein neues Stück? Lernst du den Text, schaust du dir Videos an, spielst du die Melodie am Klavier? Was unterscheidet dich da von deinen Kollegen?

Das ist eine sehr schwierige Frage. Es ist eine sehr schwierige Aufgabe. Ich will Musik erkennen, ich will den Komponisten und seine Intention erkennen. Ich spiel mir zuerst das Stück am Klavier vor. Ich darf mir unter keinen Umständen die Arien zu oft auf Youtube ansehen, weil ich tendiere sofort dazu zu kopieren. Und das ist der ganz falsche Weg. Weil dann suche ich nicht meine Version, sondern ich imitiere die Version eines anderen Sängers. Das ist nicht erfolgversprechend.

„Tosca ist wie Sachertorte“

Was ist deine Lieblingsoper?

Tosca, weil ich ihre Arie liebe. Ich weiß, ich habe vorhin gemeint, wir müssen nicht die 100. Tosca sehen…das widerspricht sich aber nicht. Denn wir sollten nicht ausschließlich Tosca hören. Auch wenn die Sachertorte meine Lieblingsspeise ist, ernähre ich mich nicht ausschließlich davon…Also Tosca ist meine Sachertorte… Ich gönn sie mir manchmal.

Gibt es Musikrichtungen mit denen du nichts anfangen kannst?

Ich kann beinahe jeder Musikrichtung etwas abgewinnen. Gut, ich hör nicht so oft Heavy Metal…und bis vor zwei Jahren konnte ich etwa mit Jazz nichts anfangen. Aber das hat sich auch geändert. Ich glaub, für Jazz braucht man ein gewisses Alter, ein Musik-Alter oder eine Musik-Reife und man muss sich damit beschäftigen. Jede Musikrichtung hat die selbe Basis. Die Logik und die Berechenbarkeit von Musik ist immer da – jede Richtung auf ihre Art. Warum erzeugt eine Tonart eine Emotion. Das ist so faszinierend – in jeder Hinsicht, in jeder Richtung.

Was sind deine Ziele in deiner Musik-Karriere?

Ich habe nicht das eine Ziel: Don Giovanni in Covent Garden oder Simone Boccanegra an der Met. Ich will Menschen begeistern. Menschen für Musik begeistern. Ich will in diesen Prozess involviert sein – in das Erlebnis Musik.

Würdest du mit Helene Fischer auftreten?

Ja, warum nicht. Sie hat eine tolle Stimme, sie singt perfekt, sie bedient und begeistert ihr Publikum. Sie ist Anna Netrebko in ihrer Welt.